Ende August des vergangenen Jahres stürmten Beamte der amerikanischen Bundespolizei FBI ein kleines Geschäftshaus in Brooklyn, durchsuchten einen Laden für Fernsehzubehör und und nahmen dessen Besitzer fest, einen Mann namens Javed Iqbal. Dem aus Pakistan stammenden Kleinunternehmer wurde vorgeworfen, Satellitenschüsseln und Decoder zu vertreiben, mit denen der arabischsprachige Sender "Al Manar" zu empfangen sei. Das ist in den Vereinigten Staaten verboten. Denn "Al Manar" ("Der Leuchtturm") ist nicht irgendein Programm aus dem Nahen Osten, "Al Manar" ist der Fernsehsender der libanesischen Terrorgruppe Hizbullah, ein dröhnend antisemitischer und anti-westlicher Propagandakanal. Oder, wie es Mark Dubowitz von der "Foundation for Defense of Democracies" (FDD), einem konservativen think tank in Washington, drastisch formuliert: Die Mitarbeiter von "Al Manar" sind "als Journalisten maskierte Dschihadisten".
Die Vereinigten Staaten haben "Al Manar" daher im März 2006 auf ihre Liste von Terrororganisationen gesetzt. Wer mit dem Sender kooperiert, muss mit empfindlichen Strafen rechnen - so wie Javed Iqbal, der allerdings nach wenigen Tagen gegen Kaution wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. Auch die Europäische Union hat die in Beirut residierende Station wegen Gewaltverherrlichung und ständiger Aufrufe zum Rassenhass aus dem europäischen Satellitennetz gedrängt. Frankreich hat die Ausstrahlung im Dezember 2004 ausdrücklich verboten (F.A.Z. vom 14. Dezember 2004), gefolgt von Spanien und Holland. Gleichwohl ist "Al Manar" auch weiter in vielen Teilen Europas, darunter in Deutschland, zu empfangen. Denn es wird nach wie vor von zwei arabischen Satellitenanbietern ausgestrahlt, "Arabsat" und "Nilesat", zu deren Eigentümern die saudische respektive die ägyptische Regierung zählen.
Was auf diese Weise an Hasspredigten und Hetze auch in die Wohnzimmer in Deutschland gelangt, hat Dubowitz am Donnerstag auf Einladung des Aspen-Instituts in Berlin anhand einiger Ausschnitte aus dem Programm von "Al Manar" vorgeführt. Da laufen nicht nur die Ansprachen und Botschaften der Hizbullah-Führer in den sogenannten Nachrichtensendungen, die zu Selbstmordanschlägen aufrufen oder atemberaubende Siegesmeldungen im Kampf gegen Israel verbreiten. Die immergleiche Botschaft, so Dubowitz, werde vielmehr in wechselnder Verpackung angeboten, die sich an bewährten Fernsehformaten orientiere: Es gibt Talkshows, in denen die jüdische Weltherrschaft "analysiert" wird, es gibt Sendungen für Kinder, in denen Fünf- oder Sechsjährige als lächelnde Kämpfer mit Sprengstoffgürteln um den Bauch gezeigt werden, es gibt Bilder von sterbenden israelischen Soldaten, unterlegt mit triumphierenden Gesängen. Und es gibt Spielfilme und Serien, in denen orthodoxe Juden ungläubige Kinder hinschlachten, um deren Blut für obskure Rituale zu verwenden. Man muss gar nicht alle Dialoge verstehen, die Bilder sind drastisch genug.
Niemand vermag genau zu sagen, wie viele Menschen in Deutschland diese Programme sehen. Von den üblichen Zuschauerbefragungen werden sie aus naheliegenden Gründen nicht erfasst. In den sich zusehends abkapselnden Stadtvierteln mit großen Bevölkerungsgruppen libanesischer oder palästinensischer Herkunft aber könnten die Sendungen durchaus auf ein interessiertes Publikum treffen. Erfahrungen anderer europäischer Länder haben gezeigt, dass Satellitenprogramme und Internetangebote stark zur Radikalisierung von Splittergruppen beigetragen haben. Dubowitz, der auch die "Coalition Against Terrorist Media" leitet, einen Zusammenschluss von gemäßigten muslimischen, jüdischen und anderen Organisationen in den Vereinigten Staaten und Europa, reist daher derzeit durch Europa und wirbt bei Regierungen, Parteien und Medien dafür, die Ausstrahlung von "Al Manar" in Europa ganz zu unterbinden.
Dazu soll nach seiner Vorstellung von allen EU-Mitgliedstaaten massiver Druck auf Saudi-Arabien und Ägypten ausgeübt werden, "Al Manar" von den beiden Satellitenprovidern "Arabsat" und "Nilesat" zu nehmen, und den ähnlich gestrickten Kanal der Hamas, "Al Aksa", gleich mit. Gerade Deutschland könne dabei während seiner EU-Ratspräsidentschaft eine entscheidende Rolle zukommen. Die Sorge, ein solcher Schritt könne im Libanon und anderswo nur als neuer Beleg für die Macht der Zionisten in der westlichen Welt gesehen werden und die Attraktivität von "Al Manar" erhöhen, irritiert Dubowitz nicht. Die Gefahr, dass unter dem Eindruck der Propaganda von "Al Manar" mitten in Europa eine neue Generation von islamischen Terroristen heranwachse, sei allemal größer.